Umbruch in der Fleischindustrie
Immer mehr Fleischersatzprodukte drängen auf den deutschen Markt. Vorbei die Zeiten als vegetarische Produkte noch Tofu hießen, wie weiße Backsteine aussahen und im teuren Bioladen nur von überzeugten Ökofreunden und Tierschützern gekauft wurden. Vegane und vegetarische Produkte sind längst im Mainstream angekommen und stellen für viele Verbraucher eine echte Alternative zu Fleisch dar.
Große Hersteller, die bisher ausschließlich für ihr Fleisch- und Wurstsortiment bekannt waren, werben nun mit „Fleisch aus Pflanzen“ (Rügenwalder Mühle, 25 % Umsatzanteil mit Fleischalternation) oder verkaufen, wie die Nestlé Marke Garden Gourmet, vegane Burger mit dem Versprechen „Er sieht aus wie Fleisch, riecht wie Fleisch, schmeckt wie Fleisch, wird so zubereitet …“. Tatsächlich sorgen hohe Investitionen (auch von Großinvestoren) für Innovationen und eine signifikanten Vergrößerung der Angebotsbreite und -tiefe an gut schmeckenden veganen und vegetarischen Produkten. Auch soziokulturelle Faktoren und das wachsende Bewusstsein dafür, welche negativen Auswirkungen die (für die Billig-Fleischproduktion leider immer noch notwendige) Massentierhaltung für Mensch und Umwelt mit sich bringt, sorgt für ein neues Käuferverhalten. Die Nachfrage nach fleischlosen Alternativen steigt – durch das ausgeweitete Angebot gerade auch im günstigeren Preissektor. Vieles deutet also auf strukturelle Umbrüche in der Herstellung und im Handel mit Tierprodukten hin.
Ist das nun „die Grüne Revolution“? Erwartet uns wirklich der Untergang der Fleischindustrie wie einige bereits befürchten bzw. hoffen?
Auch wenn die Zahl an Veganern und Vegetariern in Deutschland relativ gering ist, so steigt doch die Zahl derer, die sich mit weniger Fleisch ernähren wollen immer weiter an. In einer Emnid Studie von 2018 gaben 54 % der Befragten eine solche Absicht an. Verschiedene Prognosen, wie z.B. die des Planet Market Reports, rechnen mit einem beträchtlichen Wachstum des globalen Marktes für pflanzliche Fleischalternativen. Diese Veränderungen stellen für traditionelle Hersteller und Händler von tierischen Produkten ein strategisches Risiko dar, können für veränderungsbereite und neue Unternehmen aber auch eine Chance sein.
Große Konzerne, wie z.B. Nestlé mit der Marke Garden Gourmet, entwickeln eigene fleischlose Produkte oder übernehmen junge Start-Up-Firmen mit deren pflanzenbasierten Lebensmitteln. Die Fleischersatz-Palette nimmt im Lebensmitteleinzelhandel immer mehr Verkaufsfläche ein. Diese Veränderung hat natürlich auch unmittelbare Auswirkungen auf die Zulieferer, die ihre Produktion entsprechend auf pflanzliche Vorprodukte umstellen sollten bzw. müssen.
Mit einem massenmarkttauglichen Angebot und zunehmendem Wettbewerb werden künftig auch die Preise für die Alternativ-Produkte massentauglicher, will sagen: billiger. Produktstempel wie „vegetarisch“ oder „vegan“ werden von vielen als Qualitätskennzeichen betrachtet. Aus Verbrauchersicht bedeutet das demnach günstige, rein pflanzliche Produkte, die (fast) schmecken wie Fleisch und dazu noch einen „ethischen“, grünen Anstrich haben. In unserer Gesellschaft, die sich zunehmend mit Themen wie Gesundheit, Tierwohl und Nachhaltigkeit auseinandersetzt, ist das ein nicht zu unterschätzender Faktor. Inwieweit dieses lupenreine Ökoversprechen bei pflanzenbasierten, industriellen Produkten eingehalten werden kann, sei mal dahin gestellt. Das Unternehmensziel Nummer 1 ist immer noch der Gewinn und auch bei pflanzlichen Produkten müssen die Anbaumethoden kritisch hinterfragt werden. Fakt ist trotzdem, dass pflanzliche Produkte für die traditionellen Produkte eine Bedrohung darstellen können. Die Nachfrage verschiebt sich, was langsam aber sicher zu strukturellen Veränderungen auf der Angebotsseite führt.
Ein klassisches Geschäftsmodell, das auf rein tierischen Produkten gründet, kann schon heute strategisch überholt sein. Dies betrifft, wie bereits erwähnt, auch die Hersteller von Vorprodukten sowie von Hilfs- und Betriebsstoffen und Dienstleister, die ausschließlich die fleisch- und milchverarbeitenden Industrie bedienen. Wer vom Wandel profitieren will, sollte daher zukünftig in der Lage sein tierfreie Produkte zu produzieren. Dies betrifft natürlich vorrangig die Nahrungsmittelbranche, jedoch auch andere Branchenzweige, die in ihrer Produktion tierisches Material einsetzen, z.B. in der Kosmetik oder der Lederverarbeitung. Auch wenn „die Grüne Revolution“ nicht von heute auf morgen stattfindet, so ist es für traditionsverhaftete Unternehmen doch an der Zeit schon jetzt über eigene, neue Geschäftsmodelle nachzudenken.
Aber bedeutet das nun tatsächlich den vielbeschworenen Untergang der Fleischindustrie? Wir von »Genuss im Süden« sehen erst einmal das Positive in diesem Umbruch. So ist aus unserer Sicht vorrangig das sogenannte „Billig-Fleisch“ der Discounter bedroht, das bisher noch den breiten Massenmarkt mit ethisch wie qualitativ fragwürdigen Produkten bedient und auch in direkter Konkurrenz zu unseren regionalen Fleisch-Erzeugnissen steht. Sollten diese Billig-Produkte durch preiswerte Pflanzen-Alternativen ersetzt werden, ist das durchaus ein Wandel von dem auch kleinere, fortschrittliche Unternehmen profitieren können. Qualitativ hochwertiges Fleisch, wie das aus unserer Region, das strenge Umweltkriterien erfüllt und artgerechte Tierhaltung im Blick hat, ist für die Verbraucher gerade wegen der „Grünen Revolution“ auch zukünftig interessant. Mit dem Ausbau des pflanzenbasierten Angebots rückt auf der anderen Seite auch das Qualitätsfleisch wieder verstärkt in den Verbraucherfokus. Denn viele aufgeklärte Konsumenten möchten immer noch echtes, hochwertiges Fleisch und sind bereit dafür auch mehr Geld auszugeben. Allerdings sollten unsere heimischen (Bio-)Fleischbetriebe den strukturellen Wandel ebenso im Blick behalten und mit passenden strategischen Maßnahmen reagieren. Wie diese Maßnahmen konkreter aussehen können, damit möchte sich »Genuss im Süden« zukünftig, gemeinsam mit seinen Mitgliedern, ausführlicher beschäftigen.