Schlechte Ernten und Abhängigkeit von Lieferketten: Regionale Lebensmittel werden teurer!
Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie haben regionale Lebensmittel an Bedeutung zugenommen. Jedoch fielen die Ernten dieses Jahr schlecht aus, wodurch die Preise für Lebensmittel weltweit und auch bei regionalen Produkten steigen. Dazu kommen Abhängigkeiten in den Lieferketten. Welche Folgen erwarten Bäcker, Brauer und Müller?
Aus landwirtschaftlicher Sicht war 2021 kein guter Sommer. Es regnete zu viel. Das zeigt sich aktuell besonders bei der Getreideernte. Sie lag in diesem Jahr unter dem Durchschnitt. Laut Verband der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft (VGMS) haben die Landwirte sowohl weniger Winterweizen als auch Roggen geerntet als erwartet. Die Erntemengen lagen bei 21,0 Millionen Tonnen Weizen und 3,3 Millionen Tonnen Roggen.
Außerdem ist eine erhebliche Streuung in der Qualität nachzuweisen. Die Kornausprägung (und damit das Hektolitergewicht) schwächelt 2021. Das hat zusammen mit dem hohen Schmachtkornanteil Auswirkungen auf die Mehlausbeute und den Aufwand in der Aufbereitung des Getreides. Die schlechten Ernteergebnisse wirken sich auf den Getreidepreis aus. Wie stark ist derzeit noch nicht abzusehen. Zu Mitte des Jahres sorgte eine zunehmende Nachfrage aus China und ein knappes Angebot bereits zu Preissteigerungen beim Weizen. Das zeigt auch der Erntebericht des Bundesministeriums für Landwirtschaft. Er weist für das Wirtschaftsjahr 2020/21 eine Steigerung der Erzeugerpreise von 35% gegenüber 2019/20 bei Weizen und Roggen aus.
Auch wenn die deutsche Ernte ausreichend Getreide für die Vermahlung hierzulande abwirft, sorgen die Aussichten auf den globalen Getreidemärkten und die schlechten Ernteprognosen für wichtige Anbauländer für Unruhe am Getreidemarkt und Preissprüngen an den Rohstoffbörsen. Um den Schwankungen am Markt zu begegnen, sichern die Mühlen bei jedem Mehlverkauf den Kauf der benötigten Getreidemenge an den Börsen ab. Langlaufende Lieferverträge sorgen außerdem dafür, dass das Mehl, das jetzt von Bäckereien verarbeitet wird, unter Umständen in Zeiten gekauft wurde, da die Getreidepreise niedriger lagen als aktuell. Der VGMS weist darauf hin, dass die Rohstoffkosten bis zu 80% der Kosten ausmachen. Das bedeutet, dass verarbeitende Unternehmen, und auch das Lebensmittelhandwerk ihre Preise neu kalkulieren müssen und die Preissteigerungen der Rohstoffkosten auch an die Verbraucher weitergeben. Dieser Trend ist bereits spürbar. Laut Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamts stiegen die Preise für Nahrungsmittel im August 2021 gegenüber dem Vorjahresmonat um 4,6 Prozent und gegenüber dem Vormonat Juli 2021 um 4,3 Prozent. Teurer gegenüber August 2020 wurden vor allem Gemüse (+9,0 Prozent) sowie Molkereiprodukte und Eier (+5,0 Prozent).
Die weltweite Preisabhängigkeit zeigt sich ebenso beim Hartweizen, der für die Nudelherstellung wichtig ist und gerade in Deutschland an Bedeutung zunimmt. So haben die Landwirte die Anbauflächen 2021 um fast zehn Prozent ausgeweitet und die Erntemenge auf fast 215.000 Tonnen gesteigert. Der Inlandsbedarf liegt aber schon allein bei 400.000 Tonnen und so reicht die heimische Ernte bei weitem nicht aus. Auf globaler Ebene ist das Angebot vor allem auch durch Ernteausfälle in Nordamerika knapp. Dadurch stieg der Preis für Hartweizen im August 2021 zwischenzeitlich auf über 600 €. 2020 lag der Preis noch bei 280 € und im Jahr 2019 bei 220 € pro Tonne.
Die deutsche Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft gilt als Grundpfeiler der Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln aus regionalen Rohstoffen. Doch steigende Energie- und Rohstoffkosten machen der Branche zu schaffen und sorgen für deutlich höhere Preise. Die vielgepriesene Regionalität wird also deutlich teurer und es wird sich zeigen, was Regionalität den Verarbeitern und Verbrauchern tatsächlich wert ist. Viele Handwerksbäcker arbeiten zwar direkt mit den Mühlen zusammen, doch auch in dieser Lieferkette gibt es viele Faktoren, die eine Rolle spielen und die jeder Betrieb für sich selbst kalkulieren muss. Geringere Ernten könne also große Auswirkungen haben. Da es viele unterschiedliche Beschaffungsmaßnahmen mit teilweise langfristigen Lieferkontrakten gibt, sind Effekte teilweise erst deutlich später spürbar. Preisanpassungen bei Bäckern haben neben den Rohstoffpreisen ihre Gründe auch in steigenden Personal- und Energiekosten. Die Auswirkungen der Rohstoffpreisentwicklung auf die Preisbildung von Backwaren könnten sehr unterschiedlich ausfallen, da diese immer von der Kalkulation und der Kostenstruktur des jeweiligen Unternehmens abhängen.
Doch nicht nur der Getreidepreis, auch die Preise bei anderen Bäcker- und Konditorzutaten wie Kaffee, Milchprodukte oder Nüsse gehen nach oben und sorgen zunehmend für Verfügbarkeitsprobleme. Die Preise für Milchprodukte sollen laut der Milchwirtschaft zum 1.November voraussichtlich weiter steigen. Durch weltweit steigende Nachfrage und Ernteausfälle befindet sich auch Kaffee seit einiger Zeit im Aufwärtstrend. Grund für die vielen Ernteausfällen ist der Klimawandel. Der grüne Gedanke ist vielen Herstellern wichtig, doch müssen die Verbraucher begreifen, dass Nachhaltigkeit und Regionalität etwas kosten.
Auf eine regionale Rohstoffversorgung setzen auch viele handwerkliche Brauereien. Laut dem Deutschen Brauer-Bund, sind die Brauereien sehr bemüht, sich über langfristige Verträge mit Hopfenhändlern und Mälzern und teilweise auch direkt mit Hopfenbauern und Braugerstenbauern vertraglich gegen temporäre wie regionale Ernteschwankungen abzusichern. So kann Lagerhaltung Versorgungsschwankungen abmildern. Längerfristig ist allerdings nicht garantiert, dass die Brauereien, von denen viele jahrelang auf Preiserhöhungen verzichtet haben, die Bierpreise zukünftig nicht doch anpassen müssen. Die größte Herausforderung für die Brauwirtschaft ist ebenfalls der Klimawandel. Hopfen und Getreide sind immer öfter extremen Wetterereignissen und steigenden Temperaturen ausgesetzt. Aufgrund kurzfristiger Ernteschwankungen kann eine Verschiebung des Preisgefüges zwar ausgeschlossen werden, trotzdem lässt sich heute unmöglich vorhersagen, wie sich künftige Ernten konkret auf die Preise insgesamt auswirken. Trotz bedeutender, regionaler Kreisläufe unterliegt auch der Hopfenanbau globalen Trends. Deutschland ist neben den Vereinigten Staaten einer der zwei Hauptproduzenten von Hopfen, doch die hiesigen Hopfenbauern stehen unter Druck. Auch sie haben hohe Belastungen durch die aktuellen Energiepreise und müssen ihren Anbau aufgrund von neuen Verboten von Pflanzenschutzmitteln umstellen. Zudem bedroht der Klimawandel Ernte und Qualität. Weltweit wird auch der deutsche Hopfen zum Bierbrauen genutzt und um die Pflanze ist ein Wettbewerb entstanden.
Quelle: DHZ