Corona-Krise und Regionalität
30.03.2020 13:20
von Genuss-im-Süden.de

Corona-Krise lenkt Verbraucherblick auf regionale Produkte

Nach Einschätzung von von Alexander Hübner, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Universität München mit Forschungsschwerpunkt Gestaltung nachhaltiger Lieferketten, wird die Corona-Krise die Verbraucher stärker an die regionalen Händler binden. "Mittelfristig ist davon auszugehen, dass diese globale Krise ein stärkeres Rückbesinnen auf regionale Angebote bewirken wird", sagte der Experte in einem Interview der "Passauer Neuen Presse". "Davon werden vor allem die kleinen lokalen Betriebe profitieren."

In Zeiten der Corona-Pandemie seien kleine Unternehmen besonders wichtig. "Zur Risikominimierung von flächendeckenden Produktions- und Versorgungsengpässen, etwa weil sich komplette Betriebe in Quarantäne befinden, ist es wichtig, die Versorgung auf viele Schultern zu verteilen." Gäbe es nur einen großen Produzenten und dieser fiele aus, "wäre dies dramatisch für die Versorgung", so der Experte. “Fällt ein Handwerksbetrieb wegen Corona kurzfristig aus, so muss der Staat überbrückend helfen, damit die Produktion später wieder aufgenommen werden kann."

Laut Hübner müssen sich Verbraucher um die Grundversorgung durch den Einzelhandel keine Sorgen machen. "Erstens gehören die Lebensmittelproduktion und der Lebensmittelhandel zu den systemrelevanten Bereichen, die selbst bei weiteren Einschränkungen aufrechterhalten bleiben." Zudem hätten Händler auch in der Vergangenheit schon gezeigt, "wie sie komplette Lagerausfälle - etwa bei Streik - auffangen können". Hamsterkäufe seien demnach unnötig und sogar schädlich, denn Hamsterkäufe haben für Logistik und Bevölkerung negative Folgen. "Sie schaden uns allen“, so Hübner. Nicht jeder kann gleich gut versorgt werden, außerdem steigt die Gefahr, dass Lebensmittel verderben, weil nicht automatisch auch mehr konsumiert wird. "Heute werden schon pro Person und Jahr mehr als 170 Kilogramm Lebensmittel in der EU weggeworfen“, sagte Hübner.

Hübner glaubt, dass sich die Menschen durch die Krise auf regionale Wertschöpfung zurückbesinnen. "Es werden mehr regionale und nachhaltige Lieferketten entstehen. Und man sieht jetzt schon ein extremes Wachstum im Online-Lebensmittelhandel. Vor Corona lag der Online-Anteil in Deutschland unter einem Prozent. Jetzt berichten Online-Händler von Wachstumsraten im hohen zweistelligen Bereich. Es ist auch davon auszugehen, dass es zunehmend Abholstationen gibt. Dieses Modell hat sich in Frankreich schon etabliert, wo bereits mehr als 3500 solcher Drive-in-Stationen existieren", so der Experte.

Aber auch die negativen Auswirkungen sollen hier erwähnt werden. Probleme bringt die Krise vor allem für Landwirte mit sich, die Saatgut und Düngemittel aus dem Ausland beziehen. Viele Landwirte sind auf den globalen Warenverkehr angewiesen – und dort gibt es unter Umständen Lieferverzögerungen. Bio-Bauern, die alles selbst produzieren und auf Düngemittel verzichten sind hier als regionale Versorger also im Vorteil. Allerdings fehlen der Landwirtschaft derzeit auch viele Ernte- und Pflanzhelfer. Und dies betrifft Bio-Bauern gleichermaßen. Saisonarbeiter aus den Nachbarländern dürfen derzeit nicht mehr nach Deutschland einreisen. Nun muss auf Arbeitskräfte auf dem hiesigen Arbeitsmarkt zurückgegriffen werden. Wer in der Coronavirus-Krise nicht wie gewohnt Arbeit, Studium oder Ausbildung nachgehen darf, kann Landwirten Hilfe anbieten. Das Portal „Das Land hilft“ des Bundeslandwirtschaftsministerium soll hier vermitteln. Bauern können auf der Plattform Arbeitsangebote einstellen, Interessierte ihre Mitarbeit anbieten. Einziger Nachteil, die Website ist wegen zahlreicher Abrufe zeitweise überlastet. Eine ähnliche Plattform zur Arbeitsvermittlung in der Landwirtschaft betreibt der Bauernverband mit seiner Seite „Saisonarbeit in Deutschland“.

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