Fast vergessener Schatz: Alte Landrassen könnten Mais fit für Klimawandel machen
Es ist ein Schatz, der fast schon in Vergessenheit geraten ist: Von Hartmais gibt es in Europa tausende Landrassen mit einer riesigen genetischen Vielfalt. Doch der Maiszüchtung stand diese bisher nicht zur Verfügung, zu uneinheitlich war das Zuchtmaterial. Jetzt ist es Wissenschaftlern der Universität Hohenheim in Stuttgart und ihren Kooperationspartnern gelungen, dieses Potenzial für die Züchtung zu erschließen. Sie kommen in ihren Eigenschaften dem Elite-Mais sehr nahe. Und sie könnten den Mais künftig fit machen für den Klimawandel. Das BMBF hat das kürzlich abgeschlossene Projekt mit gut 365.000 Euro gefördert – ein Schwergewicht der Forschung an der Universität Hohenheim.
Gelber Badischer Landmais, Strenzfelder, Lacaune oder Lizagarotte – europäischer Mais hat rund 5.000 Landrassen zu bieten. Diese Mais-Landrassen sind seit dem 16. Jahrhundert ohne systematische Züchtung entstanden, wurden bis in die 1960er Jahre angebaut – und sie sind oft besonders gut an ihre Umweltbedingungen angepasst. Ein Umstand, der in Zeiten des Klimawandels von besonderer Bedeutung ist. Heute lagern diese genetischen Ressourcen vorwiegend in Genbanken. „Doch die Genbanken können leicht zum Friedhof werden“, erklärt Prof. Dr. Albrecht Melchinger, Mais-Spezialist an der Universität Hohenheim. „Die genetischen Ressourcen, die dort schlummern, sind jedoch verborgenes Gold, das man allerdings noch schürfen und läutern muss. Erst dann können wir das heutige Mais-Elitematerial mit den positiven Eigenschaften bereichern.“
Kältetoleranz wichtig in Zeiten des Klimawandels
Früher standen bei der Maiszüchtung primär Ertrag und Qualität im Fokus. „Diesen Luxus können wir uns heute nicht mehr leisten“, so der Experte, „denn der Klimawandel bringt den Mais in die Bredouille.“ Häufigere Spätfröste setzen den Jungpflanzen zu, und frühe Hitzeperioden bereiten dem Pflanzenwachstum und der Pollenentwicklung Probleme. „Würde der Mais besser mit tiefen Temperaturen klarkommen, könnte man früher aussäen und hätte durch den Wachstumsvorsprung bei der ersten Dürreperiode schon kräftigere Pflanzen“, erklärt Prof. Dr. Melchinger. Die Kältetoleranz sei daher heute ein wesentliches Merkmal in der Maiszüchtung. „Sinnvoll wären auch Sorten, die eine höhere Toleranz gegenüber Wasserstress aufweisen oder mit weniger Dünger auskommen – ohne dass man dabei die klassischen Züchtungsziele ganz aus den Augen verlieren sollte.“
Genetische Vielfalt der Landrassen bereichert Mais-Züchtung
Um die Besten zu finden, suchen die Forscher nach genetischen Bausteinen, die mit den gewünschten Eigenschaften einhergehen. Mais hat etwa 40.000 Gene, und 95 Prozent der Merkmale einer Pflanze werden von mehreren Genen bestimmt. „Wenn wir diese genetischen Muster kennen, können wir im Vorfeld die vielversprechendsten Kandidaten ermitteln und so die Züchtung beschleunigen.“ In sogenannten Trainings-Populationen prüfen die KWS SAAT SE, die TUM und die Universität Hohenheim rund 1.000 doppelhaploide Linien auf Kältetoleranz. Bei den meisten agronomisch wichtigen Merkmalen schneiden die Landrassen durchschnittlich um 25 bis 30 Prozent schlechter ab als moderner Hybridmais – doch einige Linien kommen dem Elite-Material sehr nahe. „Diese genetische Vielfalt ist nun für die Züchtung erschlossen und steht ihr künftig zur Verfügung“, fasst Prof. Dr. Melchinger zusammen. „Das ist ein großer Schritt dahin, Mais fit zu machen für den Klimawandel.“
Quelle: Pressemitteilung der Universität Hohenheim, Fachgebiet Angewandte Genetik und Pflanzenzüchtung